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August Johann Rösel von Rosenhof
1705 - 1759
Naturforscher in Nürnberg
Sonderausstellung vom 5. Oktober 2005 - 6. Januar 2006
in der Norishalle im 1. Obergeschoss
Viele großartige Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kunst haben zum guten Ruf der Stadt Nürnberg
beigetragen. Mit der Sonderausstellung "Naturforscher in Nürnberg: Rösel von Rosenhof" werden Leben und
Werk eines Miniaturmalers, Kupferstechers und Naturforschers gewürdigt, der in einer Reihe mit Albrecht
Dürer und Maria Sibylla Merlan genannt werden kann; aber im Gegensatz zu diesen in Vergessenheit geraten
ist.
Der Miniaturmaler August Johann Rösel von Rosenhof, vor 300 Jahren am 30. März 1705 in Arnstadt/Thüringen
geboren, lebte von 1728 bis zu seinem Tod am 27. März 1759 in Nürnberg, wo er sich zu einem leidenschaftlichen
Naturbeobachter und großen Künstler entfaltete. Sowohl die "Insektenbelustigung" als auch die
"Natürliche Historie der Frösche hiesigen Landes" - aus beiden Werken sind Teile ausgestellt -stützen diese
Feststellung.
Rösel von Rosenhof darf zudem als Wegbereiter der 42 Jahre nach seinem Tod gegründeten Naturhistorischen
Gesellschaft betrachtet werden.
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Vorwort zu Rösel von Rosenhof, Die natürliche Historie der Frösche hiesigen Landes
Rösels Drama,
Lebenslauf von August Johann Rösel von Rosenhof
1705 | Geburt am 30. März in Arnstadt/Thüringen Patin ist Augusta-Dorothea Fürstin von Arnstadt/Schwarzenberg |
1710 | Besuch der Schule in Arnstadt bzw. Unterricht durch den Vater Pius Rösel, der die Lust des Sohnes am Zeichnen erkennt |
1719 | Rösel von Rosenhofs Onkel Wilhelm (Tier- und Freskenmaler am Hof von Merseburg) unterrichtet ihn in der Malkunst.
Rösel von Rosenhof zeigt bereits besonderes Interesse für Insekten |
1725 | Rösel von Rosenhof kommt erstmals nach Nürnberg und besucht die Malerakademie; erste Versuche der Miniaturmalerei und des Kupferstechens |
1726 | Reise nach Kopenhagen an den Hof des Kronprinzen |
1728 | In Hamburg lernt er das Insektenwerk von Maria Sibylla Merian kennen.
Rückkehr nach Nürnberg und Aufnahme in einen Kreis von Naturforschern, Verlegern und Ärzten (u.a. Christoph Jacob Trew) |
1737 | Heirat mit Maria Elisabeth Rosa, Tochter eines bekannten Chirurgen, Physikers und Dichters |
1740 | Veröffentlichung der ersten Tafel der Insektenbelustigung, danach jeden zweiten Monat jeweils zwei weitere Kupfertafeln.
Es entstehen vier Teile der Insektenbelustigung |
1750 | Beginn des Froschwerks, das 1753-1758 erscheint. |
1759 | Tod am 27. März in Nürnberg; Bestattung auf dem Johannisfriedhof
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Vorwort zu Rösel von Rosenhof, Die natürliche Historie der Frösche hiesigen Landes, Nürnberg, 1756
Herrn Albrecht von Haller, Präsidentens der Königlich-Göttingischen Gesellschaft der Wissenschaften, Vorrede.
Wie wir den Hochmuth überhaupts für keine Tugend halten: so giebt es auch eine Demuth, welche, weil sie vom
Vatterland eine nur niederträchtige Meinung heget, unter die größten Laster gerechnet zu werden verdienet.
Der Stolz wovon die meisten Völker so sehr aufgeblasen sind, daß sie sich über alle andere Menschen erheben,
ist lächerlich, und die bey den Chinesern so gemeine Verachtung ausländischer Völker spottens werth. Doch diese
Schwachheit findet sich bey den Chinesern nicht alleine: denn auch in unserem mehr gesitteten Europa, pflegen
diejenigen Völker, welche wegen ihres Reichthums und wegen ihrer zahlreichen Armeen, für andern Reichen sicher
und den Nachbaren fürchterlich sind, alle übrige Völker die ihnen an Macht nicht gleichkommmen, oder etwas weniger
Artigkeit, und nicht so viel Achtung für eitle Künste haben, als Barbaren anzusehen, und hochmüthig zu verlachen.
Dieser Stolz war mir fast unerträglich, als ich den schöneren Theil von Europa durchreiste. Die meisten Einwohner
eines im höchsten Flor stehenden Reiches, bezeigten gegen die übrigen Reiche und derselben Bewohner, ganz ohne Scheu
nichts als Verachtung. So gar durch ihre Minen, Reden und Schriften gaben sie täglich zu erkennen: ausser ihrem
Reich seye nichts Schönes , nichts Großes, nichts Tapferes anzutreffen; und anderswo könne nichts Vollkommenes zum
Vorschein kommen, oder zu Stande gebracht werden. Ja solche Männer, die nicht zum Pöbel, nicht zum ungelehrten Adel;
sondern unter die seltensten und größten Geister gehörten, behaupteten hin und wieder: bey ihnen nur könne man
untadelhaft schreiben; die Ordnung, die richtige Lehrart, die flüssige Deutlichkeit, seye nur ihr Eigenthum, und
kein anderes Volk habe an allen diesem einigen Anspruch zu machen. Zwar hatten sie hiebey noch so viel Billigkeit,
daß sie, als die erstgebohrene Söhne der Natur, ihren Nachbaren, welche sie doch noch als ihre jüngere Brüder
ansahen, für arbeitsam, für gute Sammler und für, von ihnen sogenannte, tiefsinnige Leute gelten liessen; sich
selbsten aber eigneten sie eine solche Fähigkeit im Urtheilen zu, vermöge welcher sie in ihren Schriften alles
Überflüssige, alles Geringschätzige, alles Leichtsinnige zu vermeiden wüßten. Und auch jetzt noch, nach bereits
verflossenen dreyßig Jahren, pfleget dieses Volk den anderen Völkern kein gelinderes Urtheil zu fällen.
Noch unerträglicher fiel mir, bey diesen gewiss nicht glimpflichen Vorwürfen, das Mitleiden und die redliche
Billigkeit derjenigen, welche aus Gütigkeit gegen uns, unseren Verstand und unsere gute Gaben, zwar noch etwas
gelten ließen; sich aber dabey so bezeigten, daß man deutlich wahrnehmen konnte, wie die Mitglieder anderer Völker,
dieses für sie so geneigte Urtheil, nicht ihren Verdiensten; sondern einig und alleine, der gelinden Nachsicht eines
so ausnehmend höflichen Volkes zuzuschreiben hätten.
So unbillig mir dieses übertriebene Verfahren eines sonst so berühmten Volkes zu seyn schiene: so sahe ich doch
zugleich gar wohl ein, daß ihm seine Eigenliebe höchstens nützlich und eine Quelle der größten Vortheile wäre.
Die niedrigern, aber einträglichen Künste, welche die Quellen des Reichthums und die Stützen der Macht eines
Reiches sind, haben in Ansehung der Belohnung, zu jenen höheren, die den Verstand so bessern als zieren, einerley
Verhältnus. Hoffnung und Furcht beherrschen der Menschen Gemüther. Die Furcht für Strafe oder Schimpf hält sie
von den Lastern ab; Hoffnung und Eigennuz reizet sie hingegen zur Tugend und Arbeit an: ohne diese wird ihr Geist,
gleich einem Schiff im Eismeer, stille liegen; und nach der Meinung eines alten Gelehrten, ist jeder Mensch bey
seinen Unternehmungen furchtsam. Eben daher glaube ich: nur dasjenige Volk, welches dem Fleis, der Tapferkeit,
dem Wiz und Verstand, die beste Belohnungen bestimmet, werde sich für andern empor schwingen. Als die Römer die
Schwelgerey noch verabscheueten; als sie die Reichthümer verschmeheten, und nur nach solchen Ehren strebten,
welche der Tugend Früchte sind; war der Ruhm der höchsten Tapferkeit im Kriegen ihr allgemeines Eigentum, und nur
hierdurch machten sie sich alle Völker unterwürfig. Ihrem einig und alleine nur nach Ehre und Ruhm strebenden Eyfer
konnte weder die Kriegswissenschaft der Griechen, noch der wilde Muth der Gallier, noch die unzähliche Menge der
Asianer, noch der Reichthum der Corinthier etwas abgewinnen.
Sosehr die Ruhmbegierde zu den bürgerlichen Tugenden anreizet: so mächtig ist der Trieb der Gewinnsucht in Erregung
der Arbeitsamkeit. Nur blos die Hoffnung: Wer der Ruhe in der Jugend nicht achte, der sammle Schätze, vermittelst
welcher er, im Alter, um so viel gemächlicher und vergnügter leben könne, macht, daß die von Natur trägen Menschen
der Arbeit obliegen; andern nachzueyfern sich bestreben, und mit unermüdetem Fleis etwas Vollkommenes zu Stand zu
bringen sich bemühen. Hätten sie diese nicht, so stünde der Pflug stille; die Werkstätte würden ruhen; die Schiffe
im Hafen liegen, und von einem Volk, welches weder Nutzen noch Vortheil zu hoffen hat, wird kein Fleis, keine
Geschicklichkeit, kein eyfriges Bestreben etwas Vollkommenes auszuführen, zu erwarten seyn.
Der geneigte Leser wird leicht einsehen, was ich auf diesen gelegten Grund aufzuführen vorhabe. Dasjenige Volk,
welches sich selbst liebet, seine Mitbürger erhebet; seine eigene Waaren den fremden vorziehet, seine Scribenten
hochachtet, und daß ich mit wenigem alles sage, von sich und dem Seinigem die beste Meinung heget, wird alle andere
an Fleis, Tapferkeit, Witz und Verstand weit übertreffen.
Wo solches nicht geschiehet, wird von allem diesen gerade das Gegentheil wahrzunehmen seyn. Bey einem Volk, welches
seiner Künstler Werke verachtet; seiner Poeten zu erst spottet; frembde Arbeit und ausländische Gelehrte vorzüglich
lobet: kan sich weder Wissenschaft noch Fleis, weder Handlung noch Reichthum, weder Muth noch Tapferkeit, weder Witz
noch Aemsigkeit finden.
Was dieses für ein Volk seye dem dergleichen Vorwürfe gemachet werden können, ist leicht zu errathen. Es lebt in
Europa eine große Nation, die es an Fleis und Arbeitsamkeit allen anderen zuvorthut; sie ist reich an Erfindungen;
giebt keiner an Gelehrsamkeit etwas nach; achtet der Wollüste wenig, und kann unter den tapfern den Ruhm der
tapfersten behaupten. Dieses Volk verachtet sich selbst, es hasset sich; kauft, lobt und ahmet nur blos was fremde
heisset nach. Es glaubet sich weder wohl zu kleiden, noch etwas niedliches essen, noch etwas köstliches trinken,
noch bequem wohnen zu können, wenn es nicht seine Kleider, seine Weine, seine Köche, seine Schneider, seine Tücher,
seine Baumeister, mit grossen Kosten aus andern, und wohl gar von Feinden bewohnten Ländern kommen läßt. Eben dieses
Volk erhebt einig und alleine den Witz und Verstand der Ausländer; die Poeten, welche in frembden Sprachen schreiben;
die ausländischen Mahler; die seine eigene Geschichte auf das fehlerhafteste, ungetreueste und gehässigste
vortragende elende Scribenten werden nur alleine von ihm gelesen, gekauft und bewundert. Was diese, bey den
Grossen vornehmlich so gemeine Geringachtung der Landsleute für Folgen habe ist offenbar. Künste und Wissenschaftren
liegen danieder; der Fleis der Künstler liefert nur was Gemeines, was Alltägliches; die Gelehrten sehen sich
gezwungen durch Unterrichtung der Jugend, durch Zusammenschreiben, durch Übersetzen ihren Unterhalt zu erwerben,
und so mus ein zu allen grossen Unternehmungen tüchtiges Volk, bey ermanglenden Schwingen, im Staub kriechen;
wenn im Gegentheil die Gelehrsamkeit, der Fleis und die Künste anderer Völker so viel Beförderung geniessen,
dass sie immer mehr und mehr wachsen und zunehmen. Daher findet man auch bey diesem Volk keine durch höheren
Schutz zu unterhaltende Academien oder gelehrte Gesellschaften, und die Künste, welche öffentliche Belohnungen
verdienten, sonder große Kosten aber nicht wohl getrieben werden können, liegen ohne alle Hoffnung einiger
Verbesserung danieder; eben deswegen wird auch von einer so unzählbaren Menge der arbeitsamsten Bürger, im
Kupferstechen, in der Mahlerey, in der Bildhauerkunst, kaum etwas grosses oder neues ausgefertigt; an Heldengedichte,
an Trauerspiele und an andere grosse Werke des Witzes, hat man sich bisher fast nicht gewaget. Und doch fehlt es
diesem Volk, welches ich ungeachtet meines Tadels dennoch liebe und achte, zu allem diesen, weder an Fähigkeit noch
an Witz, noch an Fleis; bey den Fürsten hingegen, bey den Grossen und Reichen mangelt es an derjenigen Liebe des
Vatterlandes, welche ihre eigene Güter zu schätzen weis, und in ihrem und der ihrigen Ruhm ihr einiges Vergnügen
findet.
Doch durch unsere Wünsche werden wir keine solche Könige und Fürsten vom Himmel erhalten; eben deswegen aber bleibet
uns nur dieses übrig, daß sich die Gelehrten nebst denjenigen, so anderer Werke zu beurtheilen im Stand sind, den
Ruhm ihrer Landsleute anbefohlen seyn lassen, und selbige mit ihrem Beyfall unterstützen. Was mich anbelanget, so
habe ich den Witz, die Tugend, den Fleis eines jeden Volkes allezeit hochgeachtet und gepriesen, bey meinen
Landsleuten aber mit dem größten Vergnügen gelobet und nach meinem Vermögen, als etwas so mich ganz nahe angehet,
als einen Theil meines Eigenthumes, mit aller Dienstgeflissenheit zu befördern gesuchet.
Eben daher habe ich den Geist der Bernoulli, die Rechnungen der Euler, die Beredsamkeit und große Wissenschaft eines
Gesners, die Muse eines Klopstocks, die heiligen Reden eines Jerusalems, die chemischen Arbeiten eines Potts, das
Scalpell eines Meckels, den Grabstichel eines Preislers und den Pinsel eines Ehrets, frolockend und als ob ich
Theil daran zu nehmen hätte, bewundert und gepriesen.
Die Gelehrten und Künstler der Deutschen aber verdienen um so viel mehr Lob; je mehr dieselben, aus eigenem Trieb,
sollten sie auch gleich nur eine geringe, ja gar keine Belohnung zu hoffen haben, es andern bevorzuthun sich bemühen.
Der geneigte Leser wird leichtlich merken, wohin das, was ich hier vorgebracht habe, abziele. Ich schreibe eine
Vorrede zu einem Werk unseres vortrefflichen und sich durch seine Kunst selbst adlenden Herrn August Johann Rösels
von Rosenhof. Es hat sich selbiger bereits seit geraumer Zeit, aus Liebe zur Wahrheit, ungeachtet seiner
schwächlichen Gesundheit, ohne von irgend einem Fürsten oder Mäcenaten unterstützet zu werden, angelegen seyn
lassen, zur Verbesserung der Naturhistorie das Seinige beyzutragen. Sein Fleis hat sich einen schweren Theil
derselben, die Familie der Insecten, gewählet, und er wird sich um selbige eben so verdient machen als Valisneri
in Welschland, Renatus Antonius Ferchault von Reaumur in Frankreich, Abraham Trembley und Carl Bonnet in der
Schweiz, und Carl de Geer in Schweden: Denn anderer ausländischer Scribenten Fleis, hat er längstens mit seiner
Kunst und Arbeit übertroffen; die Wahrnehmungen aber womit er die Historie der Polypen bereichert, geben den
Bemühungen, des in dergleichen Dingen ehedem vortrefflichen Swammerdams wenig nach, ja vor der bereits angeführten
berühmten Leute Verdiensten, sind die seinigen deswegen vorzüglich zu schätzen; weil er nicht nur alleine die Natur
genau beobachtet, sondern auch durch seinen Pinsel so wohl nachgeahmt hat, daß, außer den Tafeln des Swammerdams,
seiner Arbeit nichts verglichen werden kan; die Historie der Tiere aber, welche ein kaltes Blut belebet, ist vor ihm
von niemanden in ein solches Licht gesetzet worden. Dieser erste Theil derselben verdienet alles Lob; und dem
andern, worinnen die Eydexen beschrieben werden sollen, sehen wir mit Verlangen entgegen. Alle Arten der
inländischen Frösche hat er vom Ursprung an bis zu ihrem vollkommenen Alter, in welchem sie ihr Geschlecht
fortzupflanzen tüchtig sind, so beschrieben, daß er uns von ihren Eigenschaften, von ihrer Speise, und von ihrem
Bau, die genaueste und deutlichste Nachricht gegeben. Ich aber habe allezeit nur diejenigen Bücher für lesens- und
lobenswürdig gehalten, welche des Verfassers eigener, auf eine genaue Betrachtung der Natur sich gründender Fleis
hervorgebracht hat.
Dieses Lob wird insgemein durch drey Fehler verdunkelt. Der eine pfleget den Deutschen von den Ausländern
vorgeworffen zu werden; der andere ist den Gelehrten sonderlich zu unseren Zeiten eigen, und der dritte findet
sich fast bey allen Völkern.
Da es bey den Deutschen, einen zwar arbeitsamen aber mittelmäßig reichen Volk, langsam hergieng, bis die Fürsten
und Könige auf ihre Kosten Versuche anzustellen veranstalteten, und der Privatleute Fleis kaum einige Belohnung
zu gewarten hatte; da es weder genug, noch auch wohlversehene anatomische Bühnen gab; da es an Spitälern mangelte,
um in solchen eine vollständige Kenntnus der Krankheiten zu erlangen; da keine Gärten zur Beförderung der
Kräuterkunde auf Königliche Kosten angeleget wurden; da man den Gelehrten die nöthigen Werkzeuge physische
Versuche anzustellen, auf gemeine Kosten zu verschaffen unterlies: so haben freylich viele Scribenten, aus anderer
Nachrichten, eine Naturhistorie zusammengetragen und sich also, von ihren gesammelten Schätzen, nichts als die
Ordnung zuschreiben können. Alleine dieser Fehler, welcher nicht zu leugnen, ist durch gegenseitige Exempel
überflüßig ersetzet worden, und die den Deutschen fast allein eigene Chemie, kan genugsam beweisen, daß wir, wenn
es nur unser Vermögen erlaubt, gleich andern, der Natur nachzuforschen im Stande sind. Ja zu derjenigen Zeit, da
ein Paullini nebst andern, die Historie der Tiere und Pflanzen, auf das niederträchtigste aus andern zusammenschrieb,
gab es doch auch einen Guericke, einen Hevel, einen Hermann, einen Wepfer, einen Rau, und noch mehrere, deren jeder
in seiner Kunst ein Meister heissen konnte, und deren Anzahl so gros war, daß sie allerdings den Ruhm ihres
Vatterlandes zu behaupten im Stand waren. So bald aber nachgehends die Künste und Wissenschaften durch gemeine
Kosten unterstützet wurden, hat es in Erkenntnus der Natur gewis kein Volk den Deutschen gleich gethan: Wie es
ihnen denn an einer genauen Kenntnus des Laufes der Gestirne, an Fleis die Natur müde zu machen; die Körper der
Menschen und Thiere künstlich zu zerlegen; die in Feldern und Gärten wachsenden Pflanzen zu sammeln und zu
beschreiben; mancherley Körper durchs Feuer zu untersuchen, und in der Arzney neue Hülfsmittel zu entdecken,
ganz und gar nicht fehlet.
Der andere bey witzigen Völkern sich findende Fehler bestehet darinnen, daß sie ihre Schriften nur blos mit eigenen
Meinungen, mit weitläufig umschriebenen Gedanken, mit flüchtigen, unzureichenden falschen Begriffen und auf
schwachen Gründen stehenden Hypothesen anfüllen, welchen eine reine Schreibart, oder die von Witz gleissende
Perioden, erst einen Werth geben müssen. Diese Art von Büchern, worinnen man nicht die Sachen selbst, sondern nur
ihrer Verfasser Meinungen von den Sachen findet, scheinen mir gleich wenig Nutzen zu haben. Man trifft zwar in
selbigen mehr Witz, als in den aus andern zusammengetragenen Schriften an, keineswegs aber schaffen sie uns mehr
Vortheil: Denn jene insgemein so sehr verachtete Sammler, erinnern uns doch vielmals der nützlichsten Dinge,
welche wir, ohne ihre Beyhülfe, öffters mit der größten Mühe kaum ausfindig machen würden; auch geben sie uns
bequeme Verzeichnusse alles desjenigen, was unzähliche Scribenten, von jeder Sache gesaget und geschrieben haben;
überdem aber so verführen sie uns nicht so sehr zu irrigen Meinungen, als wohl diejenige, welche die ihnen niemals
zu Gesichte gekommene Natur nachahmen wollen, und solche mit einer poetischen Freyheit auszuschmücken sich
herausnehmen.
Kein geringerer, ja vielmehr ein noch schädlicherer Fehler ist es, wenn uns ein Schriftsteller, zwar eine Geschichte
der von ihm genau beobachteten Natur verspricht, aber statt der wahren, falsche Begebenheiten, mit solchen Worten,
welche ganz was anderes anzeigen als sie sagen sollen, auf das verwegenste vorträgt. Dergleichen nur dem Wunderbaren
nachjagende und die Werke Gottes flüchtighin betrachtende Naturforscher, die sich sogar erkühnet haben solche
Abbildungen und Beschreibungen heraus zu geben, welche man, wenn sie nicht nach der Natur untersuchet würden, für
wahr halten sollte, haben sich genug gefunden.
Von allen diesen Fehlern ist unser trefflicher Autor in dem was er herausgegeben frey. Er giebt nichts als was
sein eigen ist, und schildert uns die Natur auf das getreueste; in der Kunst aber die Körper zu zergliedern, den
Pinsel geschickt zu führen, oder die Körper auf das genaueste mit dem Vergrösserungsglas zu betrachten, weichet er
niemanden: Daher denn auch ganz und gar nicht zu zweifeln, daß sein Werk den ihm, unter den besten Schriften von
der Naturhistorie, gebührenden Platz, nicht auf beständig behaupten sollte.
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Rösels Drama
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Natürlich darf man bezweifeln, ob das Leben eines Künstlers als Drama charakterisiert werden darf, wenn ihm als
Naturwissenschaftler der Aufstieg in den „Olymp“ versagt blieb; andererseits ist es aber völlig unstrittig, dass
Rösel von Rosenhof nicht nur Künstler, sondern auch Naturforscher war, dem in der Ehrenhalle der Naturforscher
durchaus ein ehrender Platz gebührte.
Wer hat ihm diesen Platz verwehrt?
Es war die Zeit, seine Zeit, die ihm wegen einer Eigenart die Beachtung von Entomologen und Naturwissenschaftlern
auf alle Zeit verwehren wird.
Zu Rösels Zeiten hatten die einzelnen Insekten noch keine allgemein gültigen Namen.
Da Rösel die Schmetterlinge in der Regel aus dem Ei oder der Raupe aufzog, beschrieb und zeichnete, orientierten
sich seine Bezeichnung sehr oft am Aussehen der Raupe.
Da die Vielfalt der Raupen denen der Schmetterlinge nicht nachsteht, waren für eine eindeutige Beschreibung viele
Worte nötig.
Den „Großen Fuchs“, beschrieb Rösel bereits im Jahre 1746 auf folgende Weise: Die auf den Kirschbäumen sich
aufhaltende schwärzlich und gesellige Dornen-Raupe, mit gelben Dornenspitzen.
Heutzutage bezeichnen wir diesen Falter mit dem lateinischen Namen
Nymphalis polychloros (LINNAEUS, 1758), wobei Nymphalis als Familiennamen (genaur Gattungsname) und polychloros als
Vornamen (genauer Artname) betrachtet werden kann.
Da nur zwei Namen nötig sind, um alle Geschöpfe unter der Sonne zu bezeichnen, spricht man auch von binärer
Nomenklatur.
Diese Artbezeichnung ist nicht nur international gebräuchlich, sondern auch viel kürzer und damit handlicher.
Dabei muss sie nicht zwangsläufig lateinisch sein. Allerdings hat es sich eingebürgert vom lateinischen Namen
zu sprechen. Besser wäre allerdings der Terminus „wissenschaftlicher Name“.
Der Inhalt der nachgestellten Klammer (LINNAEUS, 1758) klärt für den Kundigen, dass Carolus Linnaeus (Carl von Linné)
die Art im Jahre 1758 beschrieben hat.
Ab dem Jahr 1758 war es nun also endlich möglich, jedes Insekt und jede Pflanze mit einem eindeutigen zweigliedrigen
Namen zu benennen.
In der Folgezeit kam es zu einer wahren Flut an Beschreibungen und Namensgebungen; viele Bezeichnungen wurden im
Übereifer sogar mehrfach verwendet, so dass die Fachwelt wieder vor einem Dilemma stand.
Was fehlte war ein gesetzgeberischer Akt, der diesen Wildwuchs beschnitt und klare Regeln für die Benennung von
Lebewesen vorgab.
Der legislative Akt wurde schließlich im Jahre 1905 vollzogen. Unter anderem wurde festgelegt, das künftig stets
nur noch der Name gelten soll, der als erster veröffentlicht wurde (Prioritätsgesetz).
Das Jahr 1758 wählte man als Startpunkt für die Anwendung der Regel; eben jenes Jahr, in dem die 10. Auflage der
Systema naturae von Carolus Linnaeus erschienen war.
Alle Veröffentlichungen vor diesem Zeitpunkt blieben unberücksichtigt. Dazu zählte auch Rösels Insectenbelustigung.
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Sein Name lebt für die Wissenschaft heute nur noch in der Bezeichnung für die Laubheuschrecke „Metrioptera roeseli“
(Rösels Beißschrecke) fort.
Und die Moral aus der Geschichte?
Auch wer zu früh erscheint, kann vom Leben bestraft werden...
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Adresse:
Naturhistorische Gesellschaft
Marientorgraben 8
90402 Nürnberg
Tel.: 0911/22 79 70
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